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Mehr als die Hälfte seines Daseins ein Spielball der Geschicke, ein Suchender und Irrender im Irrgarten, der sich „Leben” nennt:
Francesco Bernardone, später genannt „der heilige Franz von Assisi” (1181/1182 - 1226).
Erst Mitte zwanzig erwacht in ihm das große Christusbewußtsein. Mit untrüglichem Instinkt folgt er seiner inneren Stimme, die ihn zum umfassenden Erneuerer des geistigen Lebens und Führer einer ganz Europa erfassenden Bewegung werden liess: Franziskaner, Minoritenbrüder und Klarissinnen strebten ihrem Vorbild in Besitzlosigkeit, Keuschheit und Hinwendung zu den Schwächsten der Gesellschaft nach, und öffneten durch ihr Handeln vielen, die dem eigentlichen Ziel ihres Daseins gleichgültig gegenüber standen, die Augen für die wesentlichen, wahren und ewigen seelischen Werte.
Zwei Jahre vor seinem physischen Tod erhielt er die Stigmata des Gekreuzigten, nachdem er 40 Tage lang streng gefastet hatte.
„Der Kern seines Wesens und die Wucht seines Auftretens beruht auf dem Willen zur radikalen und praktischen Nachahmung Christi . . . So sehr er selbst ein sich hingebender, kontemplativer Mystiker war, so entscheidend war für ihn und seine Gefährten das Leben zwischen dem Volk, unter den Geringsten, als die Geringsten und Verachtetsten von allen . . .
. . . Er war nicht Theologe, und seine Bildung, obgleich durchaus nicht gering und durch seine dichterische Kraft geadelt, war eine volkstümliche, unmittelbar und sinnlich zugängliche; seine Demut war durchaus nicht der Art, dass sie ein öffentliches Auftreten oder sogar ein öffentliches Schauspiel fürchtete.
Er trieb seinen inneren Impuls in die äußere Erscheinung, sein Wesen und sein Erleben wurden zum öffentlichen Ereignis, und von dem Tage, an dem er dem scheltenden Vater vor den Augen des Bischofs und der ganzen Stadt Assisi seine Kleider zurückgab, um sich von allem Irdischen loszusagen, bis zu jenem, an dem er sich, sterbend, nackt auf die nackte Erde legen liess, war alles, was er tat, eine Szene; und seine Szenen waren von solcher Gewalt, dass er alle Menschen, die es sahen oder auch nur davon hörten, mit sich fortriß . . .
. . . Franciscus weiss in entscheidenden Augenblicken stets, was im Herzen des anderen vorgeht, und sein Eingreifen trifft darum stets die entscheidende Stelle; es bewegt und erschüttert . . . ”
zitiert aus dem Buch "Mimesis" (Erich Auerbach), Sammlung Dalp Band 90,
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
Viele Anekdoten sind überliefert, und zeichnen den Umriß einer Persönlichkeit, die durch Wahrhaftigkeit und Ernsthaftigkeit ihres Strebens beeindruckt. Eine sei hier stellvertretend wiedergegeben, wie sie Thomas von Celano, ein Mitbruder und Freund von Franciscus, in seiner „Legenda Secunda” beschreibt (Übersetzung aus dem Lateinischen von Erich Auerbach):
„Es geschah an einem Ostertage, dass die Brüder in der Einsiedelei bei Greccio den Tisch feiner als sonst mit Tischtüchern und Gläsern deckten. Als der Vater (Franciscus) aus der Zelle zu Tisch herunterkommt, sieht der die Tafel in ihrem eitlen Schmuck prangen; aber ihm gefällt der gefällige Tisch keineswegs. Heimlich und leise entfernt er sich, tut den Hut eines Armen, der gerade dort war, auf den Kopf, nimmt den Stab in die Hand und geht aus dem Hause. Draussen wartet er vor der Tür, bis die Brüder anfangen; denn sie waren daran gewöhnt, nicht auf ihn zu warten, wenn er auf den Ruf zum Essen nicht kam. Als sie nun anfangen zu speisen, ruft der wahre Arme vor der Tür:«Um der Liebe Gottes willen, gebt mir armem und krankem Pilger ein Almosen!» Die Brüder antworten: «Tritt ein, Mensch, um der Liebe dessen willen, den du angerufen hast!» Schnell geht er hinein und tritt vor die Essenden. Welch eine Verblüffung ergriff die Bewohner vor diesem Fremden! Auf sein Verlangen wird ihm eine Schüssel gereicht, er allein setzt sich auf den Fußboden und stellt den Teller in die Asche: «Jetzt», sagt er, «sitze ich da wie ein Minoritenbruder...»
Auch persönliche Gedichte und Gebete sind überliefert, deren Intensität aus der Tiefe seines Herzens dringt. Sie offenbaren uns auch heute noch ihre enorme Wunschkraft, und lehren uns, was der (guten) Tat voraus gehen muss: die aufrichtige und beharrliche Bitte.
Deutsche Übertragung:
„Herr, mache mich zu einem Werkzeug...”
O Signore, fa' di me
uno strumento della
tua pace:
dove è odio,
fa' ch'io porti l'Amore;
dove è offesa,
ch'io porti il Perdono;
dove è discordia,
ch'io porti l'Unione;
dove è dubbio,
ch'io porti la Fede;
dove è errore,
ch'io porti la Verità;
dove è disperazione,
ch'io porti la Speranza;
dove è tristezza,
ch'io porti la Gioia;
dove sono le tenebre,
ch'io porti la Luce...
CANTICUM FRATRIS SOLIS VEL LAUDES CREATURARUM
Laudate et benedicete mi signore,
et rengraiate et serviateli cun grande humilitate.
(Der Sonnengesang des heiligen Franziskus, die erste überlieferte Dichtung in altitalienischer Sprache)
Deutsche Übertragung:
„Der Sonnengesang...”
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Incipiunt laudes creaturarum
quas fecit beatus Franciscus
ad laudem et honorem Dei
cum esset infirmus
apud sanctum Damianum MCCXXV
Altissimu onnipotente bon signore,
tue so le laude
la gloria e l'honore
et onne benedictione.
Ad te solo,
altissimo, se konfano,
et nullu homo ene
dignu te mentovare.
Laudato si, mi signore,
cun tucte le tue creature,
spetialmente messor
lo frate sole,
lo qual'è iorno,
et allumini noi per loi.
Et ellu è bellu e radiante
cun grande splendore,
de te, altissimo,
porta significatione.
Laudato si, mi signore,
per sora luna e le stelle,
in celu l'àI formate clarite
et pretiose et belle.
Laudato si, mi signore,
per frate vento,
et per aere et nubilo
et sereno et onne tempo,
per lo quale
a le tue
creature dai sustentamento.
Laudato si, mi signore,
per sor aqua,
la quale è
multo utile et humile
et pretiosa et casta.
Laudato si, mi signore,
per frate focu,
per lo quale
enn'allumini la nocte,
ed ello è bello
et iocundo
et robustoso et forte.
Laudato si, mi signore,
per sora nostra matre terra,
la quale ne
sustenta et governa,
et produce diversi fructi
con coloriti flori et herba.
Laudato si, mi signore,
per quelli ke persondano
per lo tuo amore,
et sostengo infirmitate et tribulatione.
Beati quelli ke
'l sosterrano in pace,
ka da te, altissimo,
sirano incoronati.
Laudato si, mi signore,
per sora nostra morte corporale,
da la quale nullu homo
vivente pò skappare.
Guai acquelli, ke morrano
ne le peccata mortali:
beati quelli ke trovarà
ne le tue sanctissime voluntati,
ka la morte secunda
nol farrà male.
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